Ignorierst du manchmal aus Versehen dein Kind, wenn gerade „nichts“ passiert? Schenkst du schlechtem Verhalten zu viel negative Aufmerksamkeit, diskutierst, schimpfst oder schreist? Und wenn gerade „nichts“ passiert, ignorierst du aus Versehen das Verhalten deines Kindes?
Ein Beispiel, stelle dir vor, deine Kinder sitzen friedlich zusammen und bauen mit Lego. Die Ruhe ist himmlisch, du nimmst dir einen Moment für dich und scrollst ein bisschen durch Instagram. Plötzlich hörst du ein lautes „Aua!“ – der Streit ist entfacht, ein Legostein fliegt, und du gehst dazwischen, bereit, dem Ganzen ein Ende zu setzen.
Oder ein anderes Beispiel: Dein Kind sitzt brav am Küchentisch und malt, während du die Spülmaschine einräumst und im Kopf schon die Einkaufsliste durchgehst. Plötzlich ist ein Strich auf dem Tisch – dein Kind hat sich ein bisschen zu sehr vertan. Zack, du eilst herbei, schimpfst und wischst den Tisch, bevor du dein Kind wegschickst.
Ja, so geht es vielen Eltern. Wir genießen die friedlichen, kooperativen Momente und lassen sie einfach so laufen – aber wenn dann etwas schiefgeht, sind wir sofort zur Stelle und „verschenken“ viel mehr negative Aufmerksamkeit. Die ruhigen, schönen Momente, in denen unsere Kinder gut kooperieren, registrieren wir kaum.
Dabei liegt genau hier der Schlüssel für eine liebevolle Erziehung: Indem wir Positives beachten und die harmonischen Momente bewusst wahrnehmen, stärken wir das gewünschte Verhalten.
Und genauso ist es hilfreich, Verhalten, das du nicht gut oder sogar störend findest, bewusst zu übersehen und ihm weniger negative Aufmerksamkeit zu schenken. Denn je weniger Aufmerksamkeit das unerwünschte Verhalten bekommt, desto eher wird es verschwinden – und die positiven Momente, denen du viel Aufmerksamkeit und Interesse schenkst, können sich entfalten.
Wie Eltern ungewollt Verhaltenswiesen fördern, die sie stören
Aufmerksamkeit ist mächtig – sie ist die Basis für eine gute Eltern-Kind-Beziehung, kann aber auch unerwünschtes Verhalten verstärken, und das oft ganz unbeabsichtigt. Stell dir vor, dein Kind erzählt begeistert vom Schultag. Indem du zuhörst und ihm positive Aufmerksamkeit schenkst, stärkst du sein Vertrauen und motivierst es, weiterhin offen mit dir zu sprechen. Diese Art von Aufmerksamkeit fördert das gewünschte Verhalten.
Aber genauso funktioniert es in die andere Richtung: Wenn dein Kind sich beschwert oder ungeduldig wird und du darauf eingehst, kann auch diese Art von Aufmerksamkeit das Verhalten fördern.
Unser Gehirn neigt von Natur aus dazu, negative Dinge stärker wahrzunehmen, sodass wir eher reagieren, wenn sich Konflikte oder Probleme zeigen – ein Reflex, der unerwünschtes Verhalten ungewollt verstärken kann. In der Fachsprache nennt man das Negativity Bias.
Kinder merken schnell, dass selbst negative Aufmerksamkeit eine Form der Zuwendung ist. Wenn du beispielsweise bei komischen Geräuschen stark reagierst, kann das für dein Kind wie eine Belohnung wirken und das Verhalten verstärken.
Indem du bewusst entscheidest, wann du Aufmerksamkeit schenkst und wann nicht, kannst du Einfluss darauf nehmen, welches Verhalten sich etabliert und welches weniger attraktiv wird.
Wie Eltern, die „nicht“ erziehen, es machen
Kennst du diese Eltern, die auf den ersten Blick keine bewussten modernen Erziehungsmethoden verwenden, sondern einfach nur nett sind – und deren Kind trotzdem total lieb und kooperativ ist?
Diese Eltern haben oft intuitiv den Dreh raus: Sie schenken ihrem Kind viel positive Aufmerksamkeit für alles, was schon gut läuft, und übersehen gelassen die kleinen „Dummheiten“, die Kinder eben manchmal machen.
Das Erziehungs-Mantra: Kein großes Ding draus machen!
Dabei sollte klar sein: Jedes Kind ist unterschiedlich! Vielleicht ist ihr erstes Kind total entspannt, und beim zweiten oder dritten Kind – wenn es willensstärker ist oder ein großes Temperament hat – sieht die Welt für diese Eltern plötzlich auch ganz anders aus.
Eltern können nicht „nicht erziehen“ – genauso wenig, wie man nicht „nicht kommunizieren“ kann. Jede Handlung – ob genau hinschauen, zuhören, sich wegdrehen, schweigen oder auf etwas nicht reagieren – ist eine Form von Kommunikation und prägt, was das Kind aus der Situation lernt. Selbst unbewusst sendet jede Reaktion, jedes Lächeln, jedes Gespräch, jede kleine Geste oder Nicht-Reaktion eine Botschaft an das Kind und beeinflusst sein Verhalten.
Alle deine Handlungen haben eine Erziehungsbotschaft! Ganz egal ob du absichtlich agieren oder nur passiven reagieren möchtest.
Wenn das zweite Kind also plötzlich einen ganz eigenen Kopf hat, kannst du diesen Eltern ja mal von netteeltern.de erzählen. 😉
Und dann gibt es noch die Eltern, die ständig am Handy sind oder vor dem Laptop sitzen, wenn du sie siehst.
Deren Kinder versuchen mit aller Kraft, ihre Aufmerksamkeit zu bekommen, sei es durch Ärgern, Nerven oder kleine Streiche. Und sie genau dann auch bekommen, aber erst wenn es richtig schlimm ist!
Es ist übrigens ein Mythos, dass Kinder gezielt manipulieren, um die Aufmerksamkeit ihrer Eltern zu bekommen. Vielmehr wiederholen sie Verhaltensweisen, die in der Vergangenheit Erfolg hatten und ihnen Aufmerksamkeit eingebracht haben. Das ist keine Manipulation sondern ganz normales Lernen!
Positive oder negative Aufmerksamkeit: Egal, beide sind lebenswichtig!
Aufmerksamkeit ist kein Luxus für Kinder, sondern ein Grundbedürfnis – etwas, das Kinder von Natur aus brauchen, um sich sicher und wahrgenommen zu fühlen. Wenn diese Kinder sich also so verhalten, ist das keine Bosheit, sondern ein notwendiger Versuch, von den wichtigsten Menschen in ihrem Leben beachtet zu werden.
Aus evolutionärer Sicht macht das Sinn: Der Drang von Kindern, Aufmerksamkeit zu suchen, war für das Überleben und die Entwicklung der kleinen homo homo sapiens Kinder ein großer Vorteil.
- In der freien Natur waren Kinder am sichersten, wenn sie stets in der Nähe ihrer Bezugspersonen waren – Aufmerksamkeit zu suchen bedeutete, dass sie weniger Gefahr liefen, verloren zu gehen oder unbeaufsichtigt in riskante Situationen zu geraten. Dieser Impuls sorgte also dafür, dass Kinder geschützt und versorgt blieben, was ihre Überlebenschancen enorm erhöhte.
- Außerdem sicherte das Streben nach Aufmerksamkeit, dass Kinder von älteren Mitgliedern der Gemeinschaft lernten und so wichtige Fähigkeiten und Werte übernahmen. Durch die beständige Interaktion mit Erwachsenen erlangten sie Wissen über ihre Umwelt, lernten soziale Regeln und entwickelten die emotionalen Bindungen, die sie im Leben unterstützen.
Aufmerksamkeitssuche ist also nicht nur eine Phase, sondern eine tief verwurzelte Eigenschaft, die Kinder dabei unterstützt, sich sicher zu fühlen, zu lernen und emotional zu wachsen.
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Weniger negative Aufmerksamkeit führt zu einem friedlicherem Familienalltag
Ich musste dir das gerade eigentlich nicht ausführlich erklären. Natürlich ist dir auch schon selbst aufgefallen, dass Aufmerksamkeit eine enorme Kraft hat, das Verhalten deines Kindes zu beeinflussen. Schon kleine Gesten, wie ein aufmerksames Lächeln oder ein freundliches „Danke“, können das Verhalten in positive Bahnen lenken.
Das Konzept ist dir also schon vertraut, aber die gezielte Anwendung – das sogenannte „Positive Beachten“ und „Bewusste Übersehen“ – kann die Wirkung enorm verstärken.
Beim „Positiven Beachten“ lenkst du die Aufmerksamkeit ganz bewusst auf das Verhalten, das du fördern möchtest. Dazu gehört Lob, freundliche Worte, ein Blick der Anerkennung, Nachfragen, Interesse oder auch eine kurze Umarmung.
Wichtig ist, dass du nicht nur richtig lobst, sondern insgesamt eine positive Aufmerksamkeit auf Momente richtest, in denen dein Kind sich kooperativ, friedlich oder ruhig verhält.
Genauso bedeutend ist das „Bewusste Übersehen“, bei dem du unerwünschtes Verhalten (nicht dein Kind!) gezielt ignorierst. Dies mag erstmal ungewohnt klingen, aber indem du bestimmte Verhaltensweisen unbeachtet lässt, entziehst du ihnen die Aufmerksamkeit, die sie möglicherweise verstärken würde.
3 Schritte für korrekte positive Aufmerksamkeit
Damit Aufmerksamkeit wirklich wirksam ist, sollten drei Dinge beachtet werden:
- Definiere klar das Verhalten, das du fördern möchtest – je präziser, desto besser. Tipps, um die Ecke zu denken, findest du hier:
- Positive Gegenteile für unerwünschtes Verhalten finden
- Kleine Fortschritte loben
- Beispiel: Spielzeug mit Geschwister teilen
- Wähle die Art der Aufmerksamkeit passend aus, sei es Lob, ein Lächeln, ein aufmerksames Gespräch oder eine kurze Anerkennung.
- Beispiel: begeistertes Lob, Lächeln und High-Five, beschreiben was du siehst, zuhören
- Gib die Aufmerksamkeit sofort und regelmäßig, um das Verhalten zu festigen und eine nachhaltige Veränderung zu erzielen.
- Beispiel: Du schaust regelmäßig ins Kinderzimmer oder lässt die Kinder in dem Zimmer spielen, in dem du dich selbst aufhältst.
👉 Richtig loben: 9 Beispiele für Lob für intrinsische Motivation
a) Lege konkret fest, welchem Verhalten du Aufmerksamkeit schenken möchtest:
Es ist wichtig zwischen gewünschtem und unerwünschtem Verhalten zu unterscheiden, weil Aufmerksamkeit beides verstärken kann. Wenn du positive Aufmerksamkeit auf das Verhalten lenkst, das du bei deinem Kind fördern möchtest, bestärkst du es darin.
Ungewollte negative Aufmerksamkeit auf störendes Verhalten dagegen kann dieses Verhalten unbeabsichtigt verstärken.
Mit einem klaren Fokus auf das Verhalten, das dir wichtig ist, hilfst du deinem Kind, sich in die gewünschte Richtung zu entwickeln. Definiere eindeutig, welches Verhalten du fördern möchtest, und schenke diesem Verhalten viel Aufmerksamkeit und Anerkennung.
Zum Beispiel: Anstatt allgemeines Lob zu geben, sag deinem Kind genau, was dir gefällt, wie etwa „Mir gefällt, wie du ruhig spielst. Super!“ Damit wird die Aufmerksamkeit gezielt und verständlich eingesetzt.
b) 28 Beispiele für Verhalten, das Eltern nervig finden und ihre positiven Gegenteile:
Negatives Verhalten einfach zu ignorieren reicht oft nicht aus, denn es lässt dein Kind ohne klare Richtung. Wenn du ihm stattdessen eine positive Alternative zeigst und diese gezielt bestärkst, bietest du ihm eine sinnvolle Orientierung. Dein Kind lernt, welches Verhalten erwünscht ist und entwickelt so nachhaltige und konstruktive Verhaltensweisen.
Hier habe ich Beispiele mit „nervigem“ Verhalten und seinem positiven Gegenteil aufgelistet:
Nerviges Verhalten | Positives Gegenteil (lobenswertes Verhalten) |
---|---|
Jammern und Quengeln | Ruhig und freundlich sprechen |
Dauernörgeln oder sich beschweren | Optimistisch und positiv sein |
Ständig widersprechen | Zustimmen oder kooperativ reagieren |
Ärgern und provozieren | Rücksicht nehmen und freundlich sein |
Laut seufzen oder schnauben | Ruhig und entspannt bleiben |
Grimassen schneiden | Freundlich und entspannt schauen |
Mit den Fingern auf den Tisch trommeln | Hände ruhig halten |
Kleinere Unordnung machen | Ordnung halten oder helfen aufzuräumen |
Mit den Augen rollen | Offener und respektvoller Blick |
Lautes Schmatzen oder Schlürfen | Leise essen |
Leises Murmeln oder vor sich hin reden | Klar und laut sprechen |
Das Gegenteil einer Aufgabe machen | Kooperativ sein und Aufgaben gut erledigen |
Viel Spielzeug ausräumen | Spielzeug ruhig benutzen oder ordentlich aufräumen |
Sich ständig beklagen, dass es langweilig ist | Selbständig eine Beschäftigung finden und spielen |
Häufig unterbrechen | Geduldig warten, bis du zu Ende gesprochen hast |
Auf Möbel klettern, wo es nicht erlaubt ist | Auf dem Boden spielen oder geeignete Kletterplätze nutzen |
Schimpfwörter oder unangemessene Sprache | Höflich und respektvoll sprechen |
Ständig „Warum?“ fragen ohne echte Frage | Interessiert und fokussiert zuhören |
Unaufmerksam sein, wenn du etwas erklärst | Aufmerksam zuhören |
Kleidung oder Schuhe quer im Raum verteilen | Sachen ordentlich an den richtigen Platz räumen |
Gegenstände umherwerfen | Sachen vorsichtig und verantwortungsvoll benutzen |
Dinge schnappen, ohne zu fragen | Fragen, bevor etwas genommen wird |
Laut und streitend spielen | Ruhig spielen |
Laut singen oder pfeifen | Ruhig summen oder zum Musizieren in einen anderen Raum gehen |
- Einige dieser Beispiele kannst du mit freundlichen Aufgaben und Anweisungen, die die Kooperation fördern, andere mit Rollenspielen spielerisch und mit viel Spaß üben.
- Denk dran: Es ist absolut wichtig, auch schon die kleinen Fortschritte zu loben.
c) Sofort Aufmerksamkeit schenken:
Sofortige Aufmerksamkeit verstärkt die Verbindung zwischen dem gewünschten Verhalten und der Belohnung. Dein Kind versteht dann klar, welches Verhalten du gut findest, und ist eher motiviert, es zu wiederholen. Verzögerte Aufmerksamkeit verwässert diese Verbindung und schwächt die Wirkung.
d) Verzögerte Aufmerksamkeit führt zu weniger effektiven Ergebnissen:
Wenn Aufmerksamkeit verzögert erfolgt, ist die Verbindung zum gewünschten Verhalten nicht mehr so klar. Für dein Kind ist es schwieriger zu erkennen, welches Verhalten du belohnst, und die Motivation, es beizubehalten, sinkt. Es entsteht weniger Übung, und das Verhalten wird langsamer zur Gewohnheit.
e) Häufig Aufmerksamkeit schenken:
Wiederholung ist der Schlüssel zur Verhaltensänderung. Je öfter du dein Kind für das gewünschte Verhalten lobst oder ihm Anerkennung schenkst, desto schneller kann es zur Gewohnheit werden. Häufige, positive Aufmerksamkeit verstärkt die gewünschte Verhaltensweise und hilft deinem Kind, sie sich besser einzuprägen.
Wenn es dir hilft, dann kannst du dir auch einen Wecker stellen!
Beispiel: Malen und Stifte teilen
Stell dir vor, dein Kind und sein Freund sitzen gemeinsam am Tisch und malen ein Bild. Du hast dir als Zielverhalten „ruhiges und respektvolles Zusammensitzen“ gesetzt, also das Malen, ohne sich gegenseitig die Stifte wegzunehmen oder laut zu werden. Jedes Mal, wenn du siehst, dass die beiden ruhig arbeiten und sich respektvoll verhalten, kannst du ihnen dafür gezielte Aufmerksamkeit schenken.
Lobe sie etwa mit einem kurzen „Wow, ihr malt ja toll zusammen!“ oder schenke ihnen ein aufmunterndes Lächeln. Wenn einer der beiden seinem Freund ohne Aufforderung den Stift reicht, könnte das sogar einen „High Five“ wert sein. So spürt dein Kind sofort, dass das ruhige und respektvolle Miteinander erwünscht und wertgeschätzt wird.
Diese Art von sofortiger, positiver Aufmerksamkeit macht es wahrscheinlicher, dass sich dein Kind in Zukunft wieder auf das Malen und ruhige Zusammensein konzentriert. Je häufiger du solche Momente wahrnimmst und verstärkst, desto eher wird sich dieses Verhalten festigen.
Bonuspunkte gibt es für dich als Elternteil, wenn du ein gutes Vorbild bist, selbst etwas malst und höflich nach Stiften bittest oder den Kindern deine Stifte reichst.
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Mit „bewusstem Übersehen“ zu weniger Schimpfen und weniger Streit
Negative Aufmerksamkeit kann für dein Kind zur „Belohnung“ werden, weil jede Art von Reaktion Zuwendung bedeutet. Auch Schimpfen oder Ermahnen sind Aufmerksamkeit, und wenn dein Kind das als Zuwendung erlebt, kann es dazu neigen, das störende Verhalten zu wiederholen, um diese Aufmerksamkeit zu bekommen.
Was bedeutet „Bewusstes Übersehen“ und wie funktioniert es?
Bewusstes Übersehen heißt, unerwünschtes Verhalten gezielt und konsequent zu übersehen, um es nicht durch negative Aufmerksamkeit zu verstärken. Dabei schaust du nicht hin, reagierst nicht und konzentrierst dich stattdessen auf positives Verhalten. So entziehst du dem störenden Verhalten die Bestätigung, die es sonst vielleicht erhalten würde.
Wie kann das Übersehen unerwünschtes Verhalten reduzieren?
Durch konsequentes Übersehen entziehst du dem unerwünschten Verhalten die negative Aufmerksamkeit, die es sonst verstärken könnte. Dadurch verliert das Verhalten an „Belohnung“ und kann mit der Zeit seltener auftreten, da es nicht die gewünschte Reaktion erhält.
4 Bedingungen für effektives bewusstes Übersehen
Damit bewusstes Übersehen effektiv ist, sollten vier Dinge beachtet werden:
- Definiere klar das Verhalten, das du übersehen möchtest. Dieses Vorgehen funktioniert am besten bei ungefährlichen Verhaltensweisen, die Eltern oft als „nervig“ bezeichnen.
- nervigen Geräuschen
- nörgeln
- Wutanfälle
- Schimpfwörter
- angeben
- besserwisserisch sein
- kleckern
- Grimassen
- Nasebohren und Nägelkauen
- Daumenlutschen
- Babysprache
- Ärger darüber, dass sie etwas nicht haben oder nicht machen dürfen
- Plane im Voraus, wie du entspannt reagieren wirst, z. B. indem du wegschaut oder dich abwendest.
- Wegdrehen
- Ein Buch lesen
- Die Spülmaschine einräumen
- Ein paar Schritte weggehen
- Kurz aus dem Fenster schauen
- Die Blumen gießen
- Den Tisch abwischen
- Ein Glas Wasser holen
- Dein Handy kurz checken (ohne zu tippen)
- In den Spiegel schauen und die Haare richten
- Einmal tief durchatmen und die Schultern lockern
- In einen anderen Raum gehen, um etwas zu holen
- Den Einkaufszettel schreiben
- Einen leeren Wäschekorb wegräumen
- Bleibe konsistent – auch wenn es manchmal schwerfällt, das Verhalten zu übersehen und ihm keine negative Aufmerksamkeit zu geben.
- Das wichtigste: Schenke dem positiven Gegenteil viel Aufmerksamkeit!
„Bewusstes Übersehen“ darf NIE alleine verwendet werden!
Verhaltensänderungen nur durch Übersehen zu erreichen ist schwer, weil das Verhalten ohne positive Alternativen oft bestehen bleibt. Ohne eine klare Richtung kann das Kind frustriert sein und weiterhin um Aufmerksamkeit kämpfen.
Positive Alternativen geben deinem Kind eine Richtung, damit dein Kind weiß, wie es sich besser verhalten kann. Das reduzieren das störende Verhalten auf sanfte Weise.
Du solltest also unbedingt auch diese modernen Erziehungsmethoden anwenden:
- Kooperation fördern, indem du Aufgaben richtig stellst.
- Dein Kind enthusiastisch loben und konkret beschreiben, was du lobst.
- Dein Kind nicht überfordern: Mit der Babyschritt-Methode die kleinen Fortschritte loben.
- Mit Rollenspielen spielerisch schwierige Sachen üben.
- Vorbild sein, damit dein Kind unterbewusst durch Beobachtung und Nachahmung lernen kann.
- Belohnungstafeln für schwierige Aufgaben verwenden.
Soll ich also mein Kind ignorieren?
Nein, dein Kind für längere Zeit komplett zu ignorieren und so zu tun, als wäre es nicht da oder als bestünde es aus Luft, ist keine sinnvolle Strategie – das wäre eher eine Form von psychischer Gewalt. Beim Bewussten Übersehen geht es darum, gezielt nur bestimmte Verhaltensweisen unbeachtet zu lassen, nicht jedoch dein Kind als Person.
Du kannst ihm weiterhin durch eine freundliche Haltung zeigen, dass du für es da bist, auch wenn du gerade das störende Verhalten übergehst. Das bedeutet, du schenkst deinem Kind genau dann volle Aufmerksamkeit, wenn es sich ruhig und positiv verhält, und lässt das unerwünschte Verhalten sanft ins Leere laufen.
Diese gezielte Aufmerksamkeit hilft deinem Kind zu verstehen, dass es eher durch freundliches und kooperatives Verhalten deine Nähe und Anerkennung bekommt – nicht durch das Verhalten, das du ändern möchtest.
Das nervige Verhalten ignorieren, nicht dein Kind!
Es kann sich herausfordernd anfühlen, ein bestimmtes Verhalten zu übersehen, ohne dein Kind selbst dabei zu ignorieren. Der Schlüssel liegt darin, dein Kind weiterhin freundlich wahrzunehmen, während du das unerwünschte Verhalten nicht verstärkst. Das bedeutet, dass du bewusst entscheidest, worauf du reagierst – und worauf eben nicht.
Stell dir vor, du spielst mit deinem Kind noch fünf Minuten, bevor ihr morgens losgeht, und plötzlich beginnt es zu nörgeln, weil es nicht in die Schule möchte.
Negative Aufmerksamkeit in positive Beobachtungen umwandeln
Statt darauf einzugehen, schenkst du dem Spielen viel Aufmerksamkeit. Du sagst zum Beispiel:
- „Das ist eine tolle Brücke, die du da gebaut hast!“
- „Du hast gerade einen gelben Stein in der Hand.“
- „Du hast den blauen Stein auf den grünen Stein gesetzt.“
Du kannst dich anstatt auf das Jammern für etwas anderes interessieren oder das Gespräch auf ein neutrales Thema lenken.
- Du könntest beispielsweise über eine bevorstehende Aktivität sprechen,
- eine interessante Geschichte aus deinem Tag erzählen
- oder eine Frage stellen, die das Interesse deines Kindes weckt.
Diese zwei gehen immer:
- „Deine Füße stehen auf dem Boden.“
- „Du hast gerade richtig tief durch geatmet. Super!“
So lenkst du die Aufmerksamkeit deines Kindes in eine andere, positive Richtung, ohne das störende Verhalten in den Mittelpunkt zu rücken oder es ungewollt durch Schimpfen, Rückfragen oder Diskussionen zu verstärken.
Sobald das Nörgeln aufhört, kannst du freundlich kommentieren: „Ich finde es klasse, wie freundlich du jetzt mit mir sprichst.“ So lenkst du den Fokus auf das positive Verhalten und verstärkst, was du dir von deinem Kind wünschst.
Pro-Tipp: Wenn meine Kinder eine Frage oder Bitte unfreundlich oder wütend stellen, zeige ich einfach mit meinem Finger an mein Ohr. So bekommt der Tonfall wenig Aufmerksamkeit, und meine Kinder werden dennoch sanft daran erinnert, dass es auch freundlicher geht.
Beispiel: Keine negative Aufmerksamkeit für nervige Geräusche am Essenstisch
Zum besseren Verständnis schau dir dieses Beispiel an:
Stell dir vor, dein Kind sitzt am Esstisch und macht ständig nervige Geräusche – vielleicht um Aufmerksamkeit zu bekommen oder einfach aus Langeweile.
Statt direkt darauf einzugehen und zu schimpfen, kannst du die Geräusche bewusst übersehen. Du schaust auf deinen eigenen Teller oder erzählst etwas von deinem Tag. Versuche stattdessen, deinem Kind Aufmerksamkeit zu schenken, sobald es einen Moment ruhig ist: „Super, du hast ganz leise und ruhig gegessen“ und zeigst ihm ein Daumen hoch.
Es geht wirklich um die kleinen Momente dazwischen!
Sei ein Detektiv und finde sie!
Wenn dein Kind ruhig mit dir redet, könntest du sagen: „Es ist so schön, sich mit dir beim Essen zu unterhalten.“
Oder du stellst eine Frage, die das Gespräch in eine positive Richtung lenkt, etwa: „Wenn du ein Tier sein könntest, welches wärst du dann? Warum?“
So merkt dein Kind, dass es mehr Aufmerksamkeit bekommt, wenn es sich ruhig verhält, und die nervigen Geräusche verlieren schnell an Reiz.
Wie Glücksspiel: Ab und an negative Aufmerksamkeit für unerwünschtes Verhalten
Das Gehirn funktioniert oft wie bei einem Glücksspielautomaten: Es reagiert besonders stark auf unvorhersehbare Belohnungen, also Momente, in denen eine positive Erfahrung plötzlich und unerwartet eintritt. Unser Gehirn schüttet dann Dopamin aus – das Hormon, das uns ein angenehmes Gefühl von Belohnung und Erregung vermittelt.
Dieses Prinzip macht Glücksspiel so verlockend und kann zur Sucht führen: Menschen hoffen auf den nächsten „Glücksfall“ und halten immer weiter durch, selbst wenn nur selten ein Gewinn auftaucht.
In der Erziehung kann das genauso ablaufen. Wenn dein Kind unerwünschtes Verhalten zeigt und du nur ab und zu darauf eingehst und im starke negative Aufmerksamkeit schenkst, verstärkt das sein Verhalten fast so effektiv, als würdest du es regelmäßig belohnen. Diese gelegentliche Aufmerksamkeit ist wie der unregelmäßige „Gewinn“ beim Glücksspiel und ermutigt dein Kind, das Verhalten immer wieder zu zeigen – in der Hoffnung, dass es dieses Mal viel Aufmerksamkeit bekommt bzw. den gleichen Erfolg hat.
Deshalb ist es so wichtig, wirklich geduldig zu bleiben und konsequent nerviges oder unerwünschtes Verhalten bewusst zu übersehen. Das kann anfangs schwerfallen, aber je weniger du auf das unerwünschte Verhalten eingehst, desto mehr wird es nachlassen.
Stattdessen lohnt es sich, sich voll und ganz auf die positiven Momente zu konzentrieren. Jedes Mal, wenn dein Kind sich kooperativ, ruhig oder freundlich verhält, ist es eine Chance, diese Verhaltensweise zu stärken und dein Kind in die richtige Richtung zu lenken.
Die Geduld und das konsequente Durchhalten zahlen sich aus – dein Kind wird zunehmend das Verhalten zeigen, das du dir wünschst, und die störenden Verhaltensweisen werden allmählich verblassen.
Vulkanausbruch: Warum es ohne negative Aufmerksamkeit kurz heftig wird
Wenn du beginnst, unerwünschtes Verhalten bewusst zu übersehen, fühlt es sich manchmal an wie ein kleiner Vulkanausbruch: Plötzlich wird das Verhalten stärker und intensiver. Dein Kind versucht, die gewohnte negative Aufmerksamkeit zurückzuerlangen, und steigert sich deshalb zunächst noch mehr in das Verhalten hinein. Diese Reaktion ist ganz normal und nennt sich „Extinktionsausbruch“, ja so ähnlich wie ein Vulkanausbruch.
Das Verhalten verschlimmert sich kurz, weil dein Kind daran gewöhnt ist, in diesen Situationen deine Reaktion zu bekommen. Wenn sie jetzt ausbleibt, „probiert“ dein Kind gewissermaßen, ob es mit mehr Nachdruck doch noch die gewohnte Aufmerksamkeit erhält. Eltern denken in diesen Momenten oft: „Das funktioniert nicht – es wird ja nur noch schlimmer!“ Aber genau dieser Ausbruch zeigt, dass dein bewusster Umgang tatsächlich greift.
In der Regel dauert diese Phase zwei bis drei Tage, und dann lässt das Verhalten deutlich nach. Wichtig ist, geduldig zu bleiben und weiterhin den Fokus auf die positiven Momente zu richten. Indem du diese ruhig und freundlich bestärkst, gibst du deinem Kind Orientierung und zeigst ihm, welche Verhaltensweisen wirklich lohnenswert sind.
Dein Kind zeigt aggressives oder verletzendes Verhalten?
Vielleicht hast du das Gefühl, dass das Verhalten deines Kindes so intensiv ist, dass du nicht einfach darüber hinwegsehen kannst. Schließlich könnten andere Menschen – zum Beispiel dein Kind, du selbst oder ein Geschwisterkind – verletzt werden oder etwas kann zu Bruch gehen.
Wenn du das kennst und manchmal nicht weißt, wie du in solchen Momenten ruhig bleiben sollst, schau dir doch meinen Blogbeitrag über Auszeiten (Time-Out-Technik) für Kinder an. Auszeiten wie die Stille Treppe bieten eine bessere Alternative zu Schimpfen, Schreien oder Ausflippen und helfen dir, entspannter zu bleiben und deinem Kind gleichzeitig klare Grenzen zu setzen. Noch dazu gibt es dabei weniger ungewollte negative Aufmerksamkeit für das aggressive Verhalten.
👉 Stille Treppe: Alles was du über Auszeiten wissen musst
Literatur und Quellen
Kazdin, A.E. & Rotella, C. (2008). The Kazdin Method for parenting the defiant child: With no pills, no therapy, no contest of wills. Boston: Houghton Mifflin.
Kazdin, A.E., & Rotella, C. (2013). The everyday parenting toolkit: The Kazdin Method for easy, step-by-step lasting change for you and your child. Boston: Houghton Mifflin Harcourt.
Mackenzie, R. J. (2013). Setting limits with your strong-willed child, revised and expanded 2nd edition: Eliminating conflict by establishing CLEAR, firm, and respectful boundaries. Harmony/Rodale.
Corpus, J. H. & Good, K. (2020). The effects of praise on children’s intrinsic motivation revisited. In Routledge eBooks (S. 39–46).
Drews, R., Tani, G., Cardozo, P. L. & Chiviacowsky, S. (2020). Positive feedback praising good performance does not alter the learning of an intrinsically motivating task in 10-year-old children. Motricidad, 45, 46–54.
Fullerton, E. K., Conroy, M. A. & Correa, V. I. (2009). Early Childhood Teachers’ use of Specific Praise Statements with Young Children at Risk for Behavioral Disorders. Behavioral Disorders, 34(3), 118–135.
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