„Nette Erziehung funktioniert nicht!“ Diesen Gedanken hatte ich früher öfter. Besonders an Tagen, an denen mein Kind sich weigerte, auch nur eine Socke anzuziehen, geschweige denn kooperativ zu sein. Dann schlich sich dieser fiese Gedanke ein: „Bin ich einfach nicht nett genug?“

An anderen Tagen wiederum dachte ich das Gegenteil: „Vielleicht bin ich zu nett?“ Wenn ich erschöpft war, doch mal genervt reagierte oder lauter wurde, fragte ich mich, ob ich jetzt alles kaputtmache.

Wie ein Pendel schwang ich hin und her – zwischen zu nett und nicht nett genug.

Wenn du dich da wiedererkennst, bist du nicht allein. Viele von uns versuchen, liebevoll Grenzen zu setzen, und stoßen dabei an ihre eigenen. Kein Wunder, in unseren Köpfen spuken noch immer jede Menge Erziehungsmythen herum, die uns das Leben unnötig schwer machen.

Zum Beispiel,

  • dass Erklärungen automatisch das Verhalten eines Kindes verändern,
  • dass Lob Kinder verwöhnt oder ihnen die intrinsische Motivation zerstört,
  • dass Schimpfen, Anschreien oder Strafen Verhalten wirklich verbessern,
  • dass früher alles besser war, weil „man da noch Respekt hatte“,
  • dass ständige Erinnerungen helfen, Verhalten zu fördern,
  • dass ein Kind, das sich weigert, einfach nur manipulativ ist,
  • oder dass ein Kind, das etwas einmal konnte, es nun immer zuverlässig kann.

Zeit, mit diesen Mythen und Erziehungsirrtümern aufzuräumen und herauszufinden, was wirklich funktioniert, wenn man nett bleiben möchte, ohne die Nerven zu verlieren.

Mythos 1: Schimpfen, Konsequenzen und andere Bestrafungen funktionieren

Oder: Schimpfen, Anschreien, Konsequenzen und andere Arten von Bestrafung werden das Verhalten ändern und den Kindern angemessenes Verhalten beibringen.

Die Wahrheit: Schimpfen, Anschreien, Konsequenzen und andere Bestrafungen verändern das Verhalten von Kindern nicht dauerhaft. Sie helfen nur kurzfristig. Diese negativen Konsequenzen führen oft dazu, dass Kinder schlechter hören und aggressiver werden.

Bei Bestrafungen denken viele sofort an den berüchtigten Klaps auf den Po oder gar Ohrfeigen. Etwas „feiner“ klingt es, wenn man von logischen Konsequenzen spricht – also wenn das Spielzeug wegkommt oder eine kurze Auszeit folgt.
Schimpfen muss man ja wohl dürfen – und dass einem ab und zu die Leitung durchbrennt, man laut wird und das Kind anschreit, ist doch normal.

Wie sonst sollte man Kinder dazu bringen, etwas zu tun oder zu lassen?

Ironie aus.

Viele Eltern sind mit der Überzeugung aufgewachsen, dass Bestrafungen – also alles, was für das Kind unangenehm ist, egal ob körperlich oder seelisch – ein wirksames Mittel sind, um Verhalten zu verändern. Zum Beispiel, damit Geschwister aufhören, sich zu streiten (also ein Verhalten stoppen) oder damit das Kind endlich regelmäßig Zähne putzt (also ein neues Verhalten zeigt).

Und ja: Kurzfristig kann Schimpfen/Bestrafung tatsächlich funktionieren.

Das Kind hört auf, was es gerade tut, oder macht, was du verlangst. Doch der Preis dafür ist hoch und das Ergebnis selten von Dauer. Denn Bestrafung bringt selten den langfristigen Erfolg, den du dir für einen harmonischen Familienalltag wünschst.

1) Schimpfen/Bestrafung unterbricht nur kurz

Das Problem ist, dass Bestrafung Verhalten nicht dauerhaft verändert. Sie stoppt das unerwünschte Verhalten nur für einen klitzekleinen Moment, ohne deinem Kind beizubringen, wie es sich stattdessen verhalten könnte.

Wenn du dein Kind ausschimpfst mit „Bitte zieh deiner Schwester nicht an den Haaren. Das nervt sie total. Wie würdest du dich fühlen? Hör endlich auf.“ dann wird dein Kind es vielleicht 10 Minuten unterlassen. Danach geht es weiter.

Ganz leicht finden sich Eltern in der Erziehung in einem frustrierenden Kreislauf wieder, in dem sie immer wieder die gleichen Verhaltensweisen bestrafen „müssen“.

2) Bestrafung wird leicht schlimmer und schlimmer

Schimpfen wird leicht lauter und lauter

Eltern geraten dabei oft in eine Abwärtsspirale aus immer stärkeren Bestrafungen, weil nichts anderes zu helfen scheint.

Aus ausführlichen Erklärungen werden Moralpredigten, daraus entsteht ein schärferer Ton, dann lautes Schreien – und manchmal endet es sogar mit einem Klaps.

Doch die Intensität zu steigern, macht keinen Unterschied. Härtere Bestrafungen führen nicht zu besserem Verhalten. Dein Kind passt sich vielleicht kurzfristig an, aber das Verhalten bleibt bestehen.

Und die Beziehung zwischen euch leidet darunter.

Erziehung: Mutter im der Bestrafungsfalle

3) Schimpfen und Bestrafungen haben viele Nebenwirkungen

Noch problematischer: Bestrafung hat oft Nebenwirkungen, die dir vielleicht gar nicht bewusst sind. Sie kann Aggressionen und antisoziales Verhalten fördern, sowohl zu Hause als auch in der Schule.

Auf Dauer können solche Muster nicht nur die Bindung zu deinem Kind belasten, sondern auch die Entwicklung positiver Verhaltensweisen erschweren.

Zudem lehrt Bestrafung nicht, wie sich dein Kind besser verhalten könnte, sondern nur, wie es andere Kinder selbst bestrafen kann – ein Muster, das sich oft in den Umgang mit Geschwistern oder in Kita oder Schule zeigt.

Warum greifen Eltern dann immer wieder zu Bestrafungen in der Erziehung?

  1. Ein Grund ist die sogenannte „Bestrafungsfalle“. Wenn dein Kind ein Verhalten zeigt, das du nicht möchtest, und du es bestrafst, hört es oft sofort auf. Zumindest in dem Moment. Dieses Ergebnis fühlt sich an wie eine Belohnung für dich, weil die unangenehme Situation aufhört.
  2. Außerdem in Aggressivität selbst verstärkend. Wenn du „alles rauslässt“, kann sich das für einen kurzen Moment gut und machtvoll anfühlen. Selbst wenn sich dein Kind sich noch schlechter verhält.

Durch diese zwei Elemente wird Bestrafung für Eltern zu einem automatischen Muster, selbst wenn sie wissen, dass es nichts bringt.

Alternativen zu Bestrafungen, die wirklich dauerhaft helfen

Doch es gibt Alternativen: Wissenschaftliche Studien zeigen, dass der Schlüssel einer gewaltfreien Erziehung darin liegt, deinem Kind positive Verhaltensalternativen zu zeigen und diese zu stärken. Konkretes Lob und Anerkennung für das Verhalten, das du dir wünschst, sind dabei viel wirkungsvoller als Bestrafungen von negativen Verhaltensweisen.

Wenn dein Kind zum Beispiel seine Geschwister ärgert und du es einmal ermahnen musst, solltest du es mindestens fünfmal loben, wenn es friedlich mit ihnen spricht oder ruhig spielt. So stärkst du nicht nur das gewünschte Verhalten, sondern auch eure Beziehung – denn dein Kind fühlt sich gesehen und verstanden. Und ganz nebenbei verbessert sich oft auch die Beziehung zwischen den Geschwistern.

👉 Es gibt viele moderne Erziehungsmethoden, deren Sicherheit und Wirksamkeit in hunderten Studien bestätigt wurden:

  • Definiere das positive Gegenteil eines störenden Verhaltens und lobe dieses Verhalten gezielt. So kannst du erziehen ohne zu schimpfen (oder zumindest viel weniger). Dein Fokus liegt darauf, das gewünschte Verhalten zu fördern und zu loben.
  • Schenke deinem Kind bewusst Zuwendung und Anerkennung, wenn es sich positiv verhält. Ein Lob, ein freundlicher Kommentar oder ein Lächeln können Wunder bewirken. Richtiges Lob motivieren dein Kind, das Verhalten häufiger zu zeigen.
  • Schenke dem unerwünschten Verhalten dagegen möglichst wenig negative Aufmerksamkeit. Weniger negative Reaktionen führen dazu, dass das Verhalten an Bedeutung verliert.
  • Der „Stille Stuhl“ (Auszeiten) kann helfen, wenn du kurz davor bist zu schreien oder die Situation zu eskalieren droht. Es ist eine gewaltfreie Methode, um das Verhalten kurzfristig zu unterbrechen. Diese Methode kann außerdem helfen, dich selbst und andere (z. B. Geschwister) zu schützen, bis wieder Ruhe einkehrt.

Mythos 2: Erklärungen werden das Verhalten eines Kindes ändern.

Die Wahrheit: Erklärungen alleine helfen nicht, dass dein Kind Neues lernt oder mit unerwünschtem Verhalten aufhört.

Ich habe schon in der Schwangerschaft gelesen, der demokratische Erziehungsstil sei der beste. Bedürfnisorientiert, respektvoll, ohne negative, aber auch ohne übertriebene positive Reaktionen. Einfach ruhig alles erklären – dann würde das Kind es schon verstehen.

Klingt vernünftig, oder? Ich dachte: Erklärungen sind doch bestimmt der Kern der autoritativen Erziehung. 

Ich schimpfte nicht, nein ich erklärte ganz ruhig! (Überspitzt gesagt.)
„Mein Rücken tut weh. Du solltest selbst nach oben laufen.“
„Wenn wir aufräumen, fühlen wir uns in unserer Wohnung besser.“
„Den ganzen Tag ohne Kleidung herumzulaufen ist kulturell nicht erwünscht.“

Das Ergebnis mit meinem ersten Kind? Emotionales Dauerchaos bei ihm und bei mir. So logisch, wie ich dachte, sind Dreijährige nämlich gar nicht.

Der Knackpunkt: So wichtig und wertvoll Erklärungen für die Entwicklung deines Kindes sind, sie allein reichen nicht aus, um Verhalten langfristig zu verändern.

Wenn du merkst, dass dein Kind trotz all deiner Erklärungen einfach nicht mitmacht, bist du nicht zu ungeduldig oder zu wenig nett – du tappst nur in eine weitverbreitete Erziehungsfalle.

Denn Erklärungen helfen weder dabei, dass dein Kind mit etwas aufhört, noch dass es öfter kooperiert. Stattdessen verwandeln sie sich schnell in Meckern, Schimpfen oder Moralpredigten. Mit den lieben Erklärungen beginnt oft eine neue Form der Bestrafung, nur hübscher verpackt.

Erklärungen helfen wenig in der Erziehung. Hier Sinnbild: Vater liest seinem Sohn die Leviten
Möchtest du deinem Kind gerne die Leviten lesen oder eine Moralpredigt halten?

Erklärungen helfen wenig in der Erziehung eines Kindes

Erklärungen spielen zweifellos eine Schlüsselrolle in der kognitiven Entwicklung deines Kindes. Sie helfen, das Denken, Problemlösen und Verstehen komplexer Zusammenhänge zu fördern. Durch deine Erklärungen lernt dein Kind neue Worte und Konzepte kennen. Sind die Erklärungen kindgerecht und spannend, können sie die Bindung zwischen euch stärken.

Aber Erklärungen allein führen selten zu einer tatsächlichen Verhaltensänderung. Das gilt nicht nur für Kinder, sondern für Menschen jeden Alters.

Überleg mal: Wie oft hast du schon gelesen oder gesehen, dass du gesünder essen, mehr Sport machen und weniger Zeit am Handy verbringen solltest? Und wie oft hat diese Erklärung tatsächlich zu einer Veränderung geführt? Erklärungen können Einstellungen beeinflussen, aber sie ändern selten die Gewohnheiten oder das Verhalten, das uns so frustriert.

Das Konzept „Erklärungen“ taucht deswegen nicht in der Liste mit modernen Erziehungsmethoden auf.

In der Erziehung ist Übung und der Aufbau von Gewohnheiten wichtiger!

Das liegt daran, dass Verhalten viel mit Übung, Routine und der Ausbildung von Gewohnheiten zu tun hat. Weniger mit kognitiven Denkvorgängen!

Denk an das Erlernen eines Instruments, wie das Klavierspielen. Du kannst deinem Kind genau erklären, wie es eine Taste drücken oder die Finger halten soll. Aber erst durch regelmäßiges Üben – durch Wiederholung und Erfolgserlebnisse. Erst mit dem Tun wird aus diesem Wissen eine Fähigkeit.

Das Gleiche gilt für das Verhalten. Eine gewaltfreie, authoritative Erziehung sollte auf Wiederholung und gezielte Verstärkung setzen: Indem du erwünschtes Verhalten lobst und in kleinen Schritten unterstützt, wird dein Kind das, was es gerade gemacht hat, wiederholen. Durch diese Wiederholung bilden sich Routinen und neue Gewohnheiten, die nicht nur seine, sondern auch die Bedürfnisse anderer Familienmitglieder berücksichtigen.

Das bedeutet nicht, dass du mit dem Erklären aufhören solltest. Erklärungen sind ein wichtiger Bestandteil einer liebevollen Beziehung und helfen deinem Kind, die Welt besser zu verstehen.

Aber wenn dein Ziel ist, dass dein Kind Neues lernt, selbstständiger wird oder besser kooperiert, brauchst du mehr als Worte:

Mythos 3: Loben wird das Kind verwöhnen oder der intrinsischen Motivation schaden.

Die Wahrheit: Konkretes und begeistertes Lob macht es wahrscheinlicher, dass dein Kind das gewünschte Verhalten wieder zeigt. Durch Wiederholung entstehen Routinen und Gewohnheiten, die irgendwann ganz von selbst funktionieren – auch ohne Lob.

Vielleicht hast du auch schon gehört, dass zu viel Lob Kinder verwöhnt oder sie davon abhängig macht. Oder dass Lob die intrinsische Motivation zerstört, also die Lust, Dinge aus eigenem Antrieb zu tun. Verständlich, dass du dein Kind nicht für ganz normale Handlungen wie Schuheanziehen oder Zähneputzen ständig feiern willst.

Denken, Gehirn, Kind, kreative Denkprozesse, bunte künstlerische Illustration. Belohnungssystem in der Erziehung aktivieren.

Eltern loben zu selten!

Aber die Wahrheit ist: Die meisten Kinder werden nicht annähernd so viel gelobt, wie wir denken. Tatsächlich neigen wir dazu, uns mehr auf die Dinge zu konzentrieren, die schiefgehen, als auf das, was gut läuft. Das liegt in unserer Natur und ist ein Teil der Art, wie unser Gehirn funktioniert. Leider!

Denke an deinen Alltag. Wie oft weist du dein Kind darauf hin, dass es zu laut ist, seine Geschwister nicht ärgern soll oder etwas vergessen hat?

Und wie oft lobst du es für kleine, aber wichtige Dinge? Wie oft sagst du:

„Schön, wie ruhig und leise du gerade sprichst.“, „Toll, wie friedlich ihr gerade zusammen spielt.“, „Super, dass du direkt zum Abendessen gekommen bist.“

Lob wird in der Erziehung meistens unterschätzt und in vielen Familien eher sparsam eingesetzt. Dabei ist konkretes, begeistertes Lob eines der stärksten Werkzeuge, um gewünschtes Verhalten zu fördern, Gewohnheiten aufzubauen und deinem Kind zu zeigen, dass du seine Bemühungen siehst und schätzt.

Lob ist in der positiven Erziehung das wichtigste!

Richtig angewendetes Lob – also Lob, das gezielt für bestimmte Verhaltensweisen eingesetzt wird, enthusiastisch ist und mit einer non-verbalen Komponente verknüpft wird – hat außerdem viele positive Nebenwirkungen. Es stärkt die Bindung zwischen dir und deinem Kind, fördert die Motivation (ja auch die intrinsische) und sorgt dafür, dass sich dein Kind in seiner Umgebung wohler fühlt.

Es geht dabe darum, gezielt Verhalten hervorzuheben, das du dir häufiger wünschst, anstatt ständig wegen kleinen und großen Sachen zu schimpfen.

Wissenschaft und klinische Erfahrung bestätigen: Lob führt nicht dazu, dass Kinder verwöhnt werden oder eine ungesunde Abhängigkeit entwickeln. Vielmehr hilft es ihnen, Selbstvertrauen und positive Verhaltensmuster aufzubauen. Lob sollte die Hauptzutat einer gewaltfreien, autoritativen Erziehung sein.

Und keine Sorge: Dieses besondere Lob ist nicht dauerhaft nötig. Wenn das gewünschte Verhalten zur Gewohnheit wird, kannst du es langsam reduzieren. Die Abläufe sind fest im Gehirn deines Kindes verankert und braucht keine regelmäßige externe Motivation mehr.

👉 Richtig loben: 9 Beispiele für Lob für intrinsische Motivation

👉 Lob in der Erziehung: 14 häufige Bedenken & Kritik

Mythos 4: Erinnerungen sind eine effektive Methode, um Verhalten zu fördern.

Es ist nur allzu verständlich, deinem Kind zuzurufen: „Häng deine Jacke auf!“ oder „Lern endlich deine Vokabeln!“ Und wenn nichts passiert, wiederholst du die Erinnerung.

Nichts? Vielleicht hilft ein drittes oder viertes Mal. Vielleicht auch ein bisschen lauter?

Schließlich möchtest du doch nur, dass dein Kind kooperiert und der Alltag rund läuft. Vielleicht denkst du, dass Befehle die Hauptzutat einer guten Erziehung sind?

Doch genau hier liegt das Problem: Erinnerungen allein reichen nicht aus, um Verhalten langfristig zu fördern.

3 x Erinnerung = Nörgeln

Eine Erinnerung kann zwar einmalig helfen, ein Verhalten auszulösen – wie ein Kalendereintrag, der dich daran erinnert, etwas beim Kinderarzt anzurufen. Aber wenn du möchtest, dass dein Kind kooperiert, etwas neues lernt oder selbstständiger wird, sind bloße Erinnerungen keine Lösung.

Wiederholte Aufforderungen können schnell wie Nörgeln wirken, was nicht nur frustrierend für dich ist, sondern dein Kind sogar dazu bringen kann, dich zu meiden oder noch weniger zu kooperieren.

Wenn ihr Kind beim dritten oder vierten Mal sagen, immer noch nicht loslegt, sehen das viele Eltern als Grund für eine Bestrafung: schimpfen, meckern, schreien, Fernsehverbot!

Doch die Wissenschaft ist sich einig: Bestrafungen helfen nicht und dein Kind wird nicht lernen, sofort seine Jacke aufzuhängen oder abends seine Vokabeln zu lernen.

1 x Erinnerung in der Erziehung richtig einsetzen

Das bedeutet aber nicht, dass Aufforderungen und Erinnerungen in der Erziehung völlig nutzlos sind. Sie können ein erster Schritt sein, um ein Verhalten anzustoßen. Der Schlüssel liegt jedoch darin, was danach kommt.

Sobald dein Kind das gewünschte Verhalten zeigt (sei es, die Schuhe anzuziehen oder den Tisch abzuräumen oder sein Vokabelheft aus dem Ranzen zu nehmen) ist es entscheidend, dieses Verhalten mit Lob zu verstärken.

Indem du deinem Kind für sein Handeln Anerkennung schenkst, wie „Danke, dass du deine Jacke aufgehängt hast, das hat super geklappt!“, hilfst du ihm, das Verhalten positiv abzuspeichern.

Wenn du auf Erinnerungen setzt, überlege dir vorher, was du eigentlich erreichen willst.
Für einmalige Dinge wie „Denk dran, Oma holt dich heute von der Schule ab“ reicht eine Erinnerung völlig aus.

Willst du aber, dass sich ein Verhalten wirklich einschleift, brauchst du mehr:

Mit kurzen pädagogischen Rollenspielen kannst du außerdem gemeinsam neues Verhalten üben – ganz ohne Druck und mit Spaß. So entsteht Raum für Erfolgserlebnisse, die du im Alltag sonst vielleicht nie zu Gesicht bekommen würdest.

So wird aus einer simplen Erinnerung ein wirksamer Impuls, der deinem Kind hilft, gewünschte Verhaltensweisen zur Gewohnheit zu machen. So wird eure gemeinsame Zeit entspannter und harmonischer.

Mythos 5: Ein Kind, das sich weigert, etwas zu tun, ist manipulativ.

Es ist spät, du bist müde, das Kind eigentlich auch. Die Betonung liegt auf eigentlich.

Doch statt Schlafenszeit läuft plötzlich das große Abendprogramm an:
„Ich brauche noch ein Glas Wasser!“
„Nur noch eine Geschichte!“
„Ich kann nicht schlafen, mein Kuscheltier liegt falsch herum!“

Und da ist er: der kleine, fiese Gedanke: „Moment mal, manipuliert mich mein Kind gerade?“

Doch in den meisten Fällen ist das nicht der Fall.

Illustration eines Jungen mit bösem Blick, der an stilisierten Schrauben im Gehirn dreht. Symbolisiert Manipulation und Einflussnahme.

Ganz ehrlich: Wenn Kinder wirklich so strategisch und bewusst manipulativen wären, könnten sie auch gleich deine Steuererklärung übernehmen.

Manipulation setzt voraus, dass dein Kind gezielt plant, wie es dein Verhalten steuern kann. Und so weit ist die Entwicklung der meisten Kinder einfach noch nicht.

Was hier passiert, ist viel einfacher (und viel menschlicher): Dein Kind zeigt ein Verhalten, das in der Vergangenheit funktioniert hat. Vielleicht hast du beim letzten Mal wirklich noch ein Glas Wasser gebracht oder eine zweite Geschichte vorgelesen? Einfach, um den Abend friedlich zu beenden?

Dein Kind hat gelernt: „Wenn ich das mache, bleibe ich länger wach.“

Das ist keine Manipulation. Das ist ganz normales Lernen.

Du kannst solche Muster ändern, indem du in der Erziehung klare Erwartungen setzt und positives Verhalten gezielt stärkst.

Zum Beispiel könnt ihr euch abends auf eine kleine Schlafenszeit-Routine einigen: Zähne putzen, ein Glas Wasser bereitstellen, eine Geschichte lesen. Und dann ist Schluss.

Kein Feilschen, kein „nur noch eins“.

Wenn dein Kind sich daran hält, lobe es konkret und begeistert: „Ich finde es richtig toll, wie du dich heute an unsere Abmachung gehalten hast!“ Das stärkt seine Motivation und euer Miteinander.

Ein einfaches Belohnungssystem (z. B. ein Sticker pro Abend) kann zusätzlich helfen, bis der neue Ablauf zur Gewohnheit wird.

So vermeidest du endlose Diskussionen und sorgst dafür, dass der Abend friedlich (und mit weniger Augenrollen) endet.

Mythos 6: Wenn ein Kind etwas schon einmal konnte, kann es das immer.

Es ist leicht, frustriert zu sein, wenn dein Kind etwas schon einmal geschafft hat – und es am nächsten Tag wirkt, als hätte es noch nie davon gehört.

„Wie bitte? Gestern konntest du dich doch ganz allein anziehen – und heute sind die Ärmel plötzlich Hexenwerk?“

Klingt bekannt? Du bist nicht allein. Das einmalige Zeigen eines Verhaltens heißt leider nicht, dass dein Kind es nun automatisch abrufen kann.

Wissen und Tun sind nämlich zwei völlig verschiedene Paar Schuhe – bei uns Erwachsenen übrigens auch. Wir wissen schließlich alle, dass Bewegung guttut, Zucker ungesund ist und Aufschieben nichts bringt … und trotzdem sitzen wir mit Schokolade auf dem Sofa und scrollen durchs Handy. Dein Kind kämpft mit denselben Mechanismen. Nur mit weniger Selbstdisziplin und ohne Kaffee.

So unterstützt du dein Kind dabei, neue Gewohnheiten wirklich aufzubauen:

Ein Verhalten einmal zu zeigen, heißt noch lange nicht, dass es schon sitzt. Damit dein Kind es regelmäßig wiederholt, braucht es ÜbungUnterstützung und positive Verstärkung.

Und da kommst du ins Spiel: Wenn dein Kind das gewünschte Verhalten zeigt, lobe es sofort und konkret.

Sag zum Beispiel begeistert:

„Ich finde es richtig toll, dass du dich heute selbst angezogen hast – das hat super geklappt!“

So stärkst du nicht nur das Verhalten, sondern auch das Selbstvertrauen deines Kindes.

Damit eine neue Gewohnheit entsteht, braucht es vor allem eins: Geduld.

Es ist völlig normal, dass dein Kind nicht sofort regelmäßig dranbleibt.

Das Ziel ist nicht Perfektion über Nacht, sondern eine stetige Entwicklung. Schritt für Schritt, mit viel Lob und Geduld, bis das Verhalten irgendwann ganz selbstverständlich klappt.

Mythos 7: Früher war Erziehung besser!

Vielleicht hast du auch schon Sätze gehört wie:

„Wäre Gewalt gegen Kinder wieder erlaubt, wäre die heutige Generation nicht so frech und die Erziehung wäre einfacher.“ oder

„Ein Klaps auf den Po hat noch niemandem geschadet.“ oder

„Früher hatten die Kinder wenigstens noch Respekt, weil die Eltern durchgreifen durften.“

Solche Aussagen klingen nach „guter alter Zeit“, sind aber in Wahrheit schlicht Mythen, die sich hartnäckig halten. Gewalt (egal ob körperlich oder seelisch) hat nichts mit Respekt zu tun. Sie sorgt vielleicht extrem kurzfristig für Gehorsam, hinterlässt aber langfristig Spuren, die Kinder oft ein Leben lang begleiten.

Du denkst, sowas macht in Deutschland sowieso niemand mehr? Es ist erschreckend: Im Jahr 2012 haben 50% der befragten deutschen Eltern zugegeben, ihre Kinder schon einmal mit einem Schlag auf den Po oder mit Ohrfeigen bestraft zu haben, obwohl es seit 2000 aus gutem Grund gesetzlich verboten ist.

Viele Jahre später hat sich das Bild kaum geändert: „Trotz positiver Entwicklungen sehen viele Menschen in Deutschland körperliche Bestrafung weiter als angebracht an. Fast jeder Zweite ist noch immer der Auffassung, dass ein Klaps auf den Hintern noch keinem Kind geschadet habe. Und jeder Sechste hält es sogar für angebracht, ein Kind zu ohrfeigen.“ schreibt UNICEF 2020.

Nachdenkliches Mädchen : Traurig wegen Bestrafung und Gewalt

Gewalt in der Erziehung schadet Kindern

Die Vorstellung, dass Gewalt in der Erziehung Kinder „diszipliniert“ und Eltern das Leben erleichtert, ist nicht nur falsch, sondern gefährlich. Gewalt (sei es körperlich, emotional oder psychisch) hat keinen Platz in einer gesunden und liebevollen Eltern-Kind-Beziehung. Körperliche Strafen wie Schläge und Ohrfeigen schädigen nicht nur die körperliche Gesundheit, sondern hinterlassen oft auch unsichtbare Wunden, die ein Leben lang schmerzen können.

Besonders die Auswirkungen emotionaler und psychischer Gewalt (ARD Tagesschau) werden häufig unterschätzt. Wenn ein Kind mit Sätzen wie „Du schaffst es nie zu etwas“„Du bist so ein Arschloch-Kind“ oder Drohungen wie „Ich gebe dich ins Heim, wenn du nicht aufhörst“ konfrontiert wird, hinterlässt das tiefe Spuren. Diese Art von Gewalt zerstört nicht nur das Vertrauen, sondern greift auch das Selbstwertgefühl deines Kindes an. Und das ist etwas, das sich nur schwer wiederherstellen lässt.

Gewalt (egal in welcher Form) kann schwerwiegende Folgen haben.

  • Kinder, die Gewalt erleben, neigen häufiger zu Angststörungen, Depressionen und Verhaltensauffälligkeiten.
  • Sie haben Schwierigkeiten, gesunde Beziehungen aufzubauen, und ihr Risiko für körperliche und psychische Erkrankungen steigt erheblich.
  • Außerdem wird toxischer Stress, der durch Gewalt ausgelöst wird, mit Veränderungen in der Hirnentwicklung in Verbindung gebracht. Das ist eine unsichtbare, aber verheerende Last.

Die gute Nachricht ist: Es geht auch anders!

Kinder brauchen keine Gewalt, um zu lernen. Sie brauchen viel Lob, einen offenen Blick auf die kleinen Fortschritte, um Überforderung zu vermeiden, Eltern als gute Vorbilder und einen Familienalltag, der Halt und Geborgenheit schenkt.

Eine gewaltfreie Erziehung stärkt die Bindung zwischen dir und deinem Kind und schafft die Grundlage für einen harmonischen Familienalltag, in dem sich alle sicher und respektiert fühlen.

Fazit: Überzeugungen in der Erziehung hinterfragen und effektive Ansätze wählen

Erziehung ist herausfordernd, und es gibt viele Überzeugungen, die vertraut wirken, in der Praxis aber nicht immer hilfreich sind. Gewalt – ob körperlich, psychisch oder emotional – hinterlässt tiefe Spuren und hilft nicht, gewünschte Verhaltensweisen nachhaltig zu fördern. Bestrafung mag kurzfristig funktionieren, führt aber selten zu langfristigen Veränderungen und kann die Beziehung zu deinem Kind belasten.

Auch häufige Annahmen, wie dass viel Lob Kinder verwöhnt oder dass sie bewusst manipulativ sind, halten einer genaueren Betrachtung nicht stand. Lob, wenn es gezielt eingesetzt wird, stärkt positive Verhaltensweisen und die Bindung zu deinem Kind. Widerstand oder scheinbar „manipulatives“ Verhalten sind oft einfach normale Entwicklungsphasen und bieten dir die Chance, deinem Kind hilfreiche Strategien zu zeigen.

Selbst Gewohnheiten wie ständige Erinnerungen reichen allein nicht aus, um Verhalten zu etablieren. Stattdessen brauchst du klare Anleitungen, positive Verstärkung und Geduld, um deinem Kind zu helfen, gewünschte Verhaltensweisen zu verinnerlichen.

Indem du diese verbreiteten Irrtümer hinterfragst und bewusste Veränderungen ausprobierst, kannst du gezielt auf einen harmonischeren Familienalltag hinarbeiten. Kleine, durchdachte Schritte machen oft den Unterschied – für dich, dein Kind und eure Beziehung.

Ich bin Julia, Mama eines Sohnes und zweier Für-immer-Pflegekinder. Auf meinem Blog teile ich wissenschaftlich fundierte, positive und gewaltfreie Erziehungsmethoden. Mein Ziel ist es, Eltern dabei zu unterstützen, liebevoll Grenzen zu setzen und den Familienalltag harmonisch und stressfreier zu gestalten.

Die wichtigsten Erziehungstipps

Ein Tomatenpflänzchen wächst auch nicht schneller, wenn du daran ziehst. Aber mit der richtigen Umgebung kann es sich bestens entfalten. Geduld, Wärme und ein paar sanfte „Pflegewerkzeuge“ lassen auch die Erziehung deines Kindes Früchte tragen – für einen entspannten Familienalltag.

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4 Antworten zu „Erziehung: 7 Mythen, die den Familienalltag unnötig erschweren“

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  2. […] In einem anderen Blogbeitrag erkläre ich diese Irrtümer ausführlich und zeige, warum sie so hinderlich sind. Hier findest du eine kurze Übersicht mit praktischen Lösungen, wie du stattdessen Kooperation fördern kannst. […]

  3. […] diesem Artikel decke ich 7 weit verbreitete Erziehungsmythen auf, die den Familienalltag unnötig erschweren. Sie ungeprüft zu übernehmen und anzuwenden, kann […]

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